500 Jahre danach – ist Reformation noch nötig?Lesezeit ~ 8 Min.

Von Torsten, 10. August 2023, aktualisiert am 10. August 2023.

Dieser Beitrag erschien ursprünglich in meinem alten Blog am 31. Oktober 2017 zu „500 Jahre Reformation“.

Vor genau 500 Jahren schlug Martin Luther seine 95 Thesen an die Kirchentür. Ich denke, die meisten haben das Thema dieses Jahr rauf und runter gehört und sind schon genervt. Zumindest habe ich in den sozialen Medien den Eindruck. Doch was will uns Luther heute noch sagen? Wir leben in einer modernen Welt, das Mittelalter ist längst vorbei …

Die Reformation nach der Reformation

Luther
500 Jahre Reformation

Heute ist der 31. Oktober 2017. Vor nun genau 500 Jahren begann eine Wende in der Christenheit. Der Mönch Martin Luther stieß eine Reformation an, die er eigentlich so gar nicht wollte. Eigentlich wollte er seine Kirche reformieren. Doch das kam beim Papst und den anderen leitenden Leuten bei der katholischen Kirchen in Rom gar nicht gut an. Schließlich galten die Dogmen schon zu dieser Zeit viele Jahrhunderte, wenngleich das natürlich nicht für alle galt.

Wir kennen die Geschichte. Luther ging es hauptsächlich um die Sündenvergebung und Gerechtigkeit vor Gott. Als er im Rom die heilige Treppe nach oben kroch, hörte er die Stimme „Der Gerechte wird aus Glauben Leben“. So steht es in Römer 1.17. Nach den Überlieferungen sprang er auf und verließ beschämt diese „heilige“ Stätte. Auch Römer 5 spricht davon: „Da wir nun aus Glauben gerechtfertigt sind, so haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus“. Allein aus Glaube und Gnade, nicht aus guten Werken oder finanzielle Gaben leben wir. Der Ablass war ihm von jetzt an ein Dorn im Auge!

Mit der Christianisierung kamen viele falsche Lehren in die (römische) Kirche, von denen Jesus und die Apostel nicht wussten. Von Kindertaufe, Anrufung der Heiligen, einem Fegefeuer, Heiligsprechung Verstorbener sowie dem Ablasshandel haben sie nie etwas gehört. Wie auch – es ist rein katholische Tradition.

Der Ablass des 21. Jahrhunderts

Wir leben heute in einer aufgeklärten Welt. Ablass-Briefe gibt es nicht mehr. Wirklich? Doch! Zwar wurde auf einem Konzil nach der Reformation beschlossen, dass für einen Ablass kein Geld mehr verlangt wird (von dem nebenbei der Petersdom in Rom finanziert wurde), aber Ablässe gibt es nach wie vor. Und nach katholischer Lehre ist dies auch nötig. Menschen, die schwer gesündigt haben, in der römisch-katholischen Kirche gibt es kleine und große Sünden, und ihre Sünden in der Beichte nicht bekennen, kommen der Lehre nach in die Hölle. Menschen, die ihre Sünde dem Priester bekennen, in den Himmel. Aber die Schuld bleibt und muss zuvor im Fegefeuer abgesessen werden. Um diese Zeit zu verkürzen, kann der Katholik durch einen Ablass eine vorgegebene Zahl an Jahren kürzen. Dafür wird heute kein Geld mehr bezahlt, aber eine Gegenleistung wird dennoch vorgegeben. Die heilige Schrift kennt kein Fegefeuer.

Nebenbei zum Verständnis: Die RKK sieht in der Kreuzigung nicht den Opfertod Jesu für alle Menschen, sondern dass Jesus getötet wurde, da er gegen die Gesellschaft geredet hat. Sein Opfer war sein tadelloses Leben (gute Werke) wodurch Gott bereit war, die Sünde zu vergeben. Für die Schuld ist der Ablass nötig, da Jesus ja nach katholischer Lehre die Schuld nicht durch seinem Tode getragen und bezahlt hat. Die Schuld wird im Fegefeuer „abgesessen“ (bezahlt) und muss durch Werke – dem Leben Jesu, Maria, den Heiligen und eben dem Ablass ab tilgt werden.

Die heilige Treppe (Scala Santa)

Zu der Kapelle Sancta Sanctorum führt die Heilige Treppe³ hinauf, die angeblich aus dem Palast von Pontius Pilatus stammt. Zu dieser Treppe pilgern tausende Menschen, um sie auf den Knien hoch zu rutschen. Dies erspart einige Jahre Fegefeuer …

Ablass über Twitter

Die Kirche wird modern. Aber darunter ist die gleiche Tradition wie zu Luthers Zeiten. 2013 wurde zum Weltjugendtag offeriert, wer der Kirche per Twitter folgt, erhält einen vollständigen Ablass. Dies sei die Alternative für jene, die nicht Live dabei sein können. Zuvor war jedoch eine Beichte und ein Gebet „im Sinne des Heiligen Vaters“ nötig.

Weitere Wege

Über TV und Radio wird immer wieder zu Ablässen geworben. Natürlich nie ohne Gegenleistung. 2016 wurde ein „Jahr der Barmherzigkeit“ mit Sonderablässen ausgerufen. Diesen gibt es zum Beispiel, wenn man durch eine „heiligen Pforte“ einer Kirche geht.

Die Jesuiten und der Papst

Der Jesuiten-Orden wurde in der Zeit der Reformation gegründet. Es war eine Art Gegenreformation, die bis heute anhält. In Rom findet sich die Jesuiten-Kirche „Il Gesù“. Man sieht Staturen, wo ein Engel die Bibel zerreißt und mit den Füßen die Reformation tritt. In Hinblick auf die Tatsache, dass der aktuelle Papst Franziskus ebenfalls Jesuit ist, gibt das schon zu denken. Zu diesem Thema wird es auch einen Folgebeitrag geben.

The Protest is over

Martin Luther war ein Protestant. Aus der Reformation heraus entstand die evangelische Kirche. Ein Protestant protestiert gegen etwas. Ein Missstand, eine falsche Lehre. Protestieren heutige Protestanten noch? Im Jahr 2014 rief der Bischof Tony Palmer dazu auf, nicht mehr zu protestieren. „Der Protest ist vorbei!“ Wenn man seitdem die Kirchengeschichte verfolgt, hat man auch genau diesen Eindruck. Die gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigung, bereits im Jahre 1999, sei nur ein Beispiel dafür. Tony Palmer sprach folgende Sätze⁴ bei Kenneth Copeland, einem der größten Evangelisten der USA, der nebenbei auch als enger Berater von Donald Trump fungiert.

»Luthers Protest ist zu Ende. Gibt es ohne Luthers Protest noch eine protestantische Kirche? Vielleicht sind wir jetzt alles wieder katholisch.«

Keine Veränderung in der römisch-katholischen Kirche (RKK)

Viele glauben, die katholische Kirche habe sich geändert. Und dann sagte sogar Papst Franziskus sinngemäß, „wir haben Martin Luther viel zu verdanken“. Doch wie weit zählt dieser Satz? Das folgende Zitat von Erzbischof Schneider sagt einiges:

„Wir haben bereits eine unfehlbare Antwort an Martin Luthers Irrtümer: Das Konzil zu Trient! Ich sage es noch einmal: Die Lehren des Konzils von Trient über Luthers Irrtümer sind unfehlbar und ex cathedra! Und die Kommentare des Papstes (im Flugzeug) sind nicht ex cathedra!“ (Quelle¹)

Ex Cathedra spricht der Papst nur auf seinem „heiligen Stuhl“. Alles, was er außerhalb sagt, hat für die Kirche kein Gewicht …

Im Hinblick auf die Reformation sagte er noch etwas anderes interessantes:

„Was in der Vergangenheit geschehen ist, kann nicht geändert werden. Was jedoch von der Vergangenheit erinnert und wie das geschah, kann sich im Laufe der Zeit tatsächlich verändern. Erinnerung macht der Vergangenheit gegenwärtig. Während die Vergangenheit unveränderlich ist, ist die Präsenz der Vergangenheit in der Gegenwart veränderlich. Mit Blick auf 2017 geht es nicht darum, eine andere Geschichte zu erzählen, sondern darum, die Geschichte anders zu erzählen.“

Das Konzil zu Trient 1546-1563 war die Reaktion auf Luthers Reformation. Hier wurde beschlossen, dass Ablässe künftig kein Geld mehr kosten, dafür jedoch anders verdient werden müssen. In Hinblick auf die Rechtfertigung hat sich nichts geändert. Wer „an die göttliche Barmherzigkeit glaubt, der sei ausgeschlossen“².

Nach wie vor nennt sich der Papst „Heiliger Vater“ und Stellvertreter Jesu. Die Bibel kennt nur einen gütigen „himmlischen Vater“ und warnt vor Menschenverehrung und Mutmaßungen. Jesus hatte als sein Stellvertreter in Johannes 14.26 den Heiligen Geist genannt. Auch dürfen wir uns ohne menschlichen Mittler (Beichtvater, Priester …) direkt über Jesus im Gebet zu Gott nähern.

Und nun?

Was für ein Dilemma. Heute zum fünfhundertsten Thesenanschlag trachten die Kirchen nach Gemeinsamkeit. Ich habe mich gefragt, wie man als überzeugter Katholik den Reformationstag feiern kann, und möchte dabei natürlich keinen verurteilen oder missverstanden werden. Aber die Unterschiede sind doch gravierend und fordern eigentlich eine neue Reformation. Stattdessen wird verkündet, dass der Protest vorbei sei. Und so gab es dieses Jahr auch viele gemeinsame Gottesdienste. Ich denke, das gibt schon zu denken. Viele sehen in Luther einen Spalter. Aber er ist lediglich für seine Erkenntnisse eingetreten. Und die waren nun einmal nicht mit Rom vereinbar – auch nicht 500 Jahre später. Luther würde man heute als Fundamentalist bezeichnen. Das nur, weil er die Bibel wortwörtlich genommen hat.


Quellen / Fußnoten anzeigen

¹ https://onepeterfive.com/bishop-schneider-already-infallible-response-errors-martin-luther/
² Martin Luther und die mächtige Botschaft der Welt S. 40-41
³ https://de.m.wikipedia.org/wiki/Lateran#Die_Scala_Santa
⁴ https://www.youtube.com/watch?v=fxup_QnfSHg

Schreibe einen Kommentar